13.01.2020
Eine Meinung zu den Schülerprotesten gegen Siemens
Ich bin davon überzeugt, man sollte die Kohle in der Erde belassen, und zwar tatsächlich aus Umweltschutz-/Klimaschutzgründen. Die Frage stellt sich, ob sich ein moralischer Anspruch an den Verkäufer von Pickeln und Schaufeln rechtfertigen lässt, der letztlich den Verzicht auf das Geschäft zur Folge hätte. Die zweite Frage ist, ob die Forderung dem Umweltschutz nicht mehr schadet als nützt.
Im konkreten Fall geht es um die Signaltechnik einer Eisenbahnstrecke, die zum Transport der Kohle gebaut wird. Geliefert werden die Signalanlagen von der Siemenstochter Mobility, die mit ihrer Technik Hervorragendes für den Umweltschutz leistet. Der Auftragswert ist eher gering und liegt bei 20 Millionen Euro. Diese Signaltechnik kann substituiert werden und die Behauptung, dass Siemens das Projekt stoppen könnte, ist falsch.
Man könnte einen pragmatischen Standpunkt einnehmen und die beste Signaltechnik sich auch für dieses Projekt wünschen, weil damit das Leben von Arbeitern, Verkehrsteilnehmern und Anwohnern geschützt wird. Damit ist aber die Frage nach der Legitimation der Forderung noch nicht vom Tisch. Die Forderung nach Nichtlieferung ist bezüglich der Motivation mit Exportvorschriften vergleichbar, die zum Ziel haben, „Schurkenstaaten“ den Zugang zu gewissen technologischen Fähigkeiten zu erschweren. Im Unterschied zu Exportvorschriften sind die Forderungen der Umweltaktivisten jedoch nicht in gesetzliche Regeln gegossen. Exportvorschriften bei Waffen sind ohne Weiteres nachvollziehbar, bei Dual-Use-Gütern wird es schwierig: Natürlich kann man mit einer 5-Achssteuerung Waffen herstellen, aber eben auch Güter des täglichen Bedarfs. Das Beispiel kenne ich deshalb sehr gut, weil ich in meiner aktiven Zeit bei Siemens immer wieder mit dem Problem konfrontiert war. Wenn man sich die Auswirkungen der Exportvorschriften ansieht, so sind diese für die betroffenen Länder verheerend, und das ist wohl auch die Absicht. Mit ihren Protesten adeln die Umweltaktivist(inn)en die Methode der moralisch begründeten Handelsverbote von Dual-Use-Gütern und schaden sich damit selbst. Angesichts des Umstandes, dass Waffenexporte seit Jahren ständig ausgeweitet werden, erscheinen die Exportbeschränkungen bei Dual-Use-Gütern als Auswüchse einer Doppelmoral und gnadenlosen Machtpolitik, die mit dem Gedanken eines freien Welthandels unvereinbar sind.
Aber auch die konkreten Proteste werfen die Frage der Doppelmoral auf: Wo waren die Umweltschützer, als Herr Kaeser Dresser Rand kaufte? Derartige Unstimmigkeiten will ich nicht den Schülern anlasten, wohl aber den Wissenschaftler(inne)n, die sich als „Scientists for Future“ sehen und Friday for Future beraten.
Werner Fembacher